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Handwerksbetriebe der Baubranche besonders hart betroffenStarker Preisanstieg beim Baumaterial und Lieferengpässe

01.06.2021

Mit den aktuellen Verwerfungen, insbesondere auf dem Markt für Schnittholz, und den damit für Betriebe verbundenen rechtlichen Aspekten befasst sich Steffen Wenz von der Rechtsberatung der Handwerkskammer Karlsruhe in dem folgenden Beitrag.

Seit Anfang 2021 haben sich die Preise für Baumaterial extrem verteuert. Begleitet wird dies von Lieferengpässen, die lange Lieferfristen zur Folge haben. Deutlich gestiegen sind die Preise für Roh- und Schnittholz, Kupfer, Dämmstoffe für Fassaden, Betonstahl, Gips und Mineralölprodukte. Das Statistische Bundesamt verzeichnet allein für Mineralölprodukte eine Verteuerung von ca. 34% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Lange Lieferzeiten beim Baumaterial sind oftmals Ursache dafür, dass Termine nicht eingehalten können, Verzögerungen eintreten und letzten Endes der Stillstand der Baustelle droht. Durch die immensen Preissteigerungen besteht das Risiko, dass der Handwerker, der mit den ursprünglich niedrigeren Einkaufspreisen kalkuliert hat, den gestiegenen Preis für die Baustoffe alleine tragen muss.



Bereits begonnene Aufträge - rechtliche Aspekte

Sobald ein Vertrag unterschrieben ist, muss er von den Vertragspartnern eingehalten werden. Einseitige, nachträgliche Abänderungen durch den Handwerksbetrieb sind dann nicht mehr möglich. Wird die Beauftragung ohne die Möglichkeit einer Preisanpassung vereinbart, trägt der Handwerker das Kostenrisiko, wenn sich seine ursprünglich zugrunde gelegte Kalkulation wegen der Preissteigerungen als unrichtig erweist.

Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen kommt eine nachträgliche Vertragsanpassung (§ 313 BGB) in Betracht. Voraussetzung ist hier, dass sich Umstände, die zur Vertragsgrundlage geworden sind, schwerwiegend verändert haben. Vorausgesetzt wird weiterhin, dass die Parteien bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten. Zusätzlich muss ein Festhalten am Vertrag unzumutbar sein. Aufgrund der äußerst restriktiven Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die aktuellen Verteuerungen beim Baumaterial eher nicht zu einer nachträglichen Vertragsanpassung führen.

In der Praxis wird das Handwerksunternehmen lediglich versuchen können, mit dem Kunden eine einvernehmliche Lösung zu vereinbaren. Zur Argumentation kann die gesetzliche Wertungen des § 313 BGB ins Feld geführt werden. In diesem Rahmen sind einvernehmliche Vereinbarungen denkbar. Ob sich der Kunde darauf einlässt, ist Verhandlungssache.



Annahmefrist für Angebote - Empfehlungen

Für die kurz- und mittelfristige Kalkulation von Handwerksbetrieben ist es sinnvoll, ihre Angebote zu befristen. Als Maßstab für die Annahmefrist gegenüber dem Endkunden ist der vom Lieferanten zugesagte, preisstabile Bezugsraum für das Baumaterial heranzuziehen. Die Annahmefrist für das Angebot sollte mit konkretem Kalenderdatum angegeben werden.



Stoffpreisgleitklauseln vereinbaren

Ein probates Mittel nachträgliche Preiserhöhungen aufzufangen, ist die individuelle Vereinbarung von Materialpreis- bzw. Stoffpreisgleitklauseln. Mit diesen wird geregelt, welcher Vertragspartner zu welchen Bedingungen die künftigen Preiserhöhungen trägt. Stoffpreisgleitklauseln können ohne weiteres mit Privatkunden vereinbart werden. Ausschreibungen der öffentlichen Hand sehen meistens keine Gleitklauseln vor, falls doch, dann vorwiegend zugunsten des öffentlichen Auftraggebers.
Es empfiehlt sich, Stoffpreisgleitklauseln durch individuelle Abrede zu vereinbaren. Von Preisgleitklauseln in AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) ist dringend abzuraten, da die Zivilgerichte solche AGB-Klauseln überwiegend als unwirksam beurteilen.

Weitere Anforderung an die Stoffpreisgleitklausel ist die transparente Kalkulation der Materialpreise. Das bedeutet, dass der Handwerker seine Kalkulation sowie die Einkaufspreise offenlegen muss, damit künftige Preissteigerungen nachvollziehbar und belegbar sind.
Inhaltlich regelt die Preisgleitklausel die Bedingungen der Erhöhung des Angebotspreises sowie die Modalitäten der Kostentragung von den erhöhten Preisen.



Verzögerungen aufgrund langer Lieferfristen

Hat der Handwerker mit seinem Lieferanten keine festen Liefertermine vereinbart, dann hat er grundsätzlich keine Rückgriffansprüche gegen den Großhändler wegen der Verzögerungen oder eines etwaigen Stillstands auf der Baustelle. Treten Lieferprobleme aufgrund „höherer Gewalt“, wie im aktuellen Fall der Corona-Krise anzunehmen, auf, trägt jede Partei ihren eigenen Verzögerungsschaden selbst. Soweit keiner der Vertragspartner die Verzögerung verschuldet hat, gibt es im Verhältnis zum Endkunden grundsätzlich keine Beschleunigungspflicht zulasten des Handwerkers, anderweitig Material zu besorgen oder mehr Mitarbeiter einzusetzen.

Anlässlich der volatilen Corona-Situation ist Handwerksbetrieben davon abzuraten, in ihren Angeboten einen konkreten Fertigstellungstermin anzugeben oder zu garantieren.
Bei weiteren Fragen steht die Rechtsberatung der Handwerkskammer Karlsruhe zur Verfügung.



Bei Rückfragen: